Französische Gelassenheit

Laissez-faire: die Leichtigkeit der französischen Gelassenheit

Handelt es sich bei dieser Lebenseinstellung unserer französischen Nachbarn um eine vorbildliche Haltung oder lediglich um einen Mythos? „La Grande Nation“ hat in den letzten Jahren diverse Herausforderungen bestehen müssen. Dennoch gilt die sprichwörtliche französische Gelassenheit weiterhin als eine nachahmenswerte Einstellung, das Leben nicht schwerer zu nehmen, als es ohnehin schon ist.

Was können wir hierzulande davon lernen, wo uns doch in vielen Lebensbereichen der Perfektionismus als Maßstab gilt? Stehen die typischen deutschen „Tugenden“ wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Ordnung auf dem Prüfstand? Wirken wir unflexibel und festgefahren im Gegensatz zur französischen Lebensart? Vielleicht haben Sie sich diese Fragen auch schon gestellt, wenn es um Themen wie Kindererziehung, die Einrichtung Ihres Zuhauses oder Ihre Freizeitgestaltung geht. Nehmen wir in Deutschland tatsächlich fast alles zu ernst und erwarten, dass unser Leben unter sämtlichen Aspekten perfekt funktioniert?

Lassen wir uns doch von der französischen Gelassenheit inspirieren

Schon heute könnten wir damit beginnen, beispielsweise wenn wir unser Zuhause nicht nur neu einrichten, sondern in eine Wohlfühl-Oase verwandeln wollen. Vielleicht verleiht die Anschaffung einer Wohnwand im Landhausstil oder eines antiken Sofas unserem häuslichen Lebensmittelpunkt ein wenig das Ambiente eines provenzalischen Gutshauses? Dadurch ergeben sich möglicherweise Ansätze, noch mehr französische Lebensart in die eigenen vier Wänden zuzulassen. Statt konsequenter Geradlinigkeit erlauben wir uns bei unserem Wohndesign verspielte Stilelemente mit historischen Anklängen und gewähren eventuell sogar der klassischen französischen Kochkunst Zutritt in unsere tadellos aufgeräumte Küche.

Oder wir lassen bewusst einige ausgewählte Dinge herumliegen, ohne nervös zu werden. Unseren Kindern begegnen wir im Geiste des Laissez-faire, indem wir sie nicht permanent kontrollieren, sondern ihnen Freiraum zugestehen. Die Fliege an der Wand lassen wir leben, und der Staubsauger darf auch mal eine Ecke rund lassen. Bestimmt haben Sie auf Anhieb weitere Ideen, wie Sie gelassener leben könnten. Die To-do-Liste in unseren Köpfen muss nicht unbedingt Tag für Tag penibel abgehakt werden. So schaffen wir neue Dimensionen für Lebensfreude und Spontaneität.

Laissez-faire ist nicht gleichbedeutend mit Gleichgültigkeit

Dies soll kein Plädoyer für Nachlässigkeit sein, wohl aber für eine gewisse Lässigkeit, um den Alltag entspannter zu bewältigen. Sie meinen, Sie müssten sich total verbiegen, damit Ihnen die französische Gelassenheit gelingt? Versuchen Sie es doch einmal in winzigen Schritten! Was kann schon passieren, wenn Sie ein Wohnmagazin auf dem Sessel liegen lassen anstatt es einen Zeitschriftenordner einzuordnen? Das ist ein banales Beispiel, aber das alltägliche Leben besitzt eine Reihe von eher belanglosen  Seiten. Vielen davon messen wir einfach eine hohe Bedeutung zu. Dies sehen die Franzosen offenbar anders und versinken deshalb – zumindest in ihrem Privatleben – nicht im Chaos.

Gerade im familiären Zusammensein beweist ein souveränes Laissez-faire seine Qualität. Leben und leben lassen und gemeinsam feiern, reden und Pläne machen: Das schmiedet die Generationen zusammen und ermöglicht einen bereichernden Austausch zwischen Alt und Jung. Denken Sie an die typische Atmosphäre an einem Sonntag in einem französischen Gasthaus: Da sitzen ganze Clans zusammen, speisen gemeinsam und führen temperamentvolle Gespräche. Was auffällt: Der Fokus der Erwachsenen ist nicht permanent auf die Kinder gerichtet. Und diese kommen den Besuchern aus Deutschland häufig weitaus höflicher und besser erzogen vor als in der Heimat. Bei näherer Betrachtung ist die französische Kindererziehung in ihren Grundzügen autoritärer ausgerichtet als bei uns. Kommt aber die Familie zusammen oder wird mit Freunden gefeiert, ergeben französische Gelassenheit und engagierte Diskussionen eine beflügelnde Mischung für Geist und Herz.

In diesem Punkt dürfen wir uns gern etwas abschauen. Machen wir doch Schluss mit der angespannten und griesgrämigen Stimmung, in der wir manches Familientreffen durchstehen und als lästige Pflicht betrachten. Überlassen wir nicht trotzigen Kleinkindern und aufsässigen Teens die Bühne, auf die sich aller Augen richten. Nehmen wir uns die französische Gelassenheit zum Vorbild, die einen einfühlsamen Dialog mit der älteren Generation erlaubt und jeder Generation gewisse Eigenheiten zugesteht.

Wir können immer noch dazulernen

Mein Leben ist in Ordnung, so wie es derzeit ist, wenden Sie eventuell ein. Aber warum sollten wir uns gegen Einflüsse abschotten, die uns und unsere Lieben bereichern können? Wenn wir nur ein Minimum der französischen Gelassenheit übernehmen, gehen wir mit zahlreichen Problemen weniger verbissen um. Wir öffnen uns spürbar mehr für die Menschen, die uns wichtig sind, und konzentrieren uns nicht pausenlos auf das Wenn und Aber. Laissez-faire ist ein Synonym für Gewährenlassen und Nichteinmischung. Genau das wünschen wir uns doch selbst so häufig von den anderen.